Spinnen - Weben - Stricken

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Rosenstraße um 1927. Vorn rechts Gasthof mit Bäckerei und Kolonialwaren Klösener.

Mit diesen drei Worten umreißt man die Frauenarbeit am Feierabend der letzten 200 bis 300 Jahre. In keinem Hause fehlte ein Spinnrad, und in vielen Häusern war ein Webstuhl. Gefällig stellte man ihn auch der Nachbarschaft zur Verfügung. Man spann Wolle und Flachs. Schafe gehörten früher in jedes Bauernhaus. Sie gaben nicht nur die schöne Wolle. Es war auch ein besonderer Festtag im Herbst, wenn ein feistes Jungtier geschlachtet wurde. Wenn dann auf der Deele oben am geschwärzten Deelenhimmel mit der Fleischgaffel kein Stückchen Speck oder Schinken mehr zu holen war, dann war das fette Böckchen ein Paschamahl. Die Wolle wurde zumeist von der Oma gesponnen, das Stricken besorgte sie an den langen Winterabenden. Der Opa oder auch ein Bursche oder eine Maid bedienten den Webstuhl, der in seiner Breite von ungefähr 1,25 in und einer Länge von etwa 1,50 bis 1,70 in einen großen Raum der kleinen Hinterstube einnahm. Und Oma sah zu und strickte dabei. Von der Deele hing ein trübes Öllämpchen herab und konnte alles nur wenig belichten. Das dachten auch oft die jungen Mädchen, wenn sie mit einem Hocker und ihrem Spinnrad unter die „Ölfunsel" zogen, um den gerissenen Faden wieder einzuspulen. Sie hatten zumeist Flachs auf dem Rocken. Im Frühling und Sommer waren sie gar sehr dabei, Flachs auszusäen und zu jäten. Im Spätsommer wurde er reif und aus­ gezogen, nicht geschnitten, damit nichts verloren ging. Um die kostbaren Leinsamen zu erreichen, riffelten sie ihn über einem Nagelbrett. Dann hatten sie mit der Aufbereitung des Leinenfadens viel Arbeit, aber endlich war er spinnfertig.

Abends fanden sie sich in Spinn- oder Webstuben ein, denn Gemeinsamkeit liebt der Willebadesser. Dann hörte man aus den Stuben das leise Surren, oft auch das Quietschen der Trittbretter. Munterer Gesang holte immer neue Gäste herbei. So hörte man wohl aus Isenbrands Weh- und Spinnstube lustig: „Was klippet dat Klapp, wat schlippet dat Schlapp! - Klipp, klapp, klapp, - schlipp, schlapp, schlapp.“ Und ein guter Wirtsnachbar schickte seine Töchter auch mit Strickzeug hin und vor allem mit einem „Süßen", einem grünfarbigen Kümmellikör. - Und dann schaffte man emsig und sang zur Arbeit bis in die Nacht hinein. Auch andere schöne Spinnlieder erklangen: „Spinn, spinn, meine liebe Tochter" oder „Spinn, spinn, Mägdelein." Oft auch hörte man das Lied vom dummen Heinrich, der Wasser holen sollte und nur einen gelöcherten Eimer hatte. - Redlich müde ging man spät heim. Man sagte von einer fleißigen Spinnerin, man erkenne sie am flachen Spinndaumen. Und wenn dann der Frühling nah und näher kam und die Meise der Spinnerin ins Fenster rief: „Spinn dicke, spinn dicke", dann flog das Rädchen schneller, denn das Garn sollte auch noch gewebt werden.

A. Conze